Siller fragt: Markus Friedrich
Immer wenn es ernst wird, schalte die Marktwirtschaft aus, sagt Markus Friedrich, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums. Kürzlich hat er mit einer Studie zum Tempolimit für Aufsehen gesorgt: 6,7 Tonnen CO2 ließen sich einsparen.
Volker Wissing, den Bundesverkehrsminister von der FDP, erlebt er als rationalen Politiker, und auf die Frage nach der Handschrift der Grünen in der Ampel-Koalition schweigt er vielsagend. Markus Friedrich leitet den Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik an der Universität Stuttgart und ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums. Wenn es nach ihm ginge, würden deutsche Städte nach dem Vorbild von Barcelona in Superblocks umgestaltet: verkehrsberuhigte Stadtteile, die über Tempo-25-Zonen miteinander und mit den schnelleren Straßen (Tempo 40) drumherum verbunden sind.
Tempolimit ist sowieso sein Thema. Kürzlich hat Friedrich Aufsehen erregt mit einer Studie dazu, erstellt für das Bundesumweltamt. Ergebnis: 6,7 Tonnen CO2-Emissionen ließen sich einsparen, wenn auf Autobahnen die Geschwindigkeit auf maximal 120 Kilometer pro Stunde festgelegt würde statt streckenweise unendlich schnell. Die FDP hält dagegen gar nichts von einem Tempolimit und hat eine eigene, umstrittene Studie vorgelegt, nach der nur 1,1 Tonnen CO2-Emissionen eingespart würden. Damit positioniert sich FDP-Verkehrsminister Volker Wissing pikanterweise gegen den Vorsitzenden seines eigenen wissenschaftlichen Beirats. Die Reaktionen auf Friedrichs Studie waren erwartbar: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) befand, mit einem Tempolimit würde das Klima auch nicht gerettet. Friedrich dagegen sagt: "Viele Maßnahmen brauchen zehn, 20, 30 Jahre. Ich suche aber nach Lösungen, die schnell gehen." An der Geschwindigkeitsbegrenzung zu schrauben, sei eine sehr schnelle und auch noch günstige Lösung.
Sind E-Fuels, mit denen der Bundesverkehrsminister gerade den Verbrennermotor gerettet hat, die Zukunft, Herr Friedrich? Selbst wenn die E-Fuel-Anlage von Porsche in Chile voll ausgebaut sei, würde der Kraftstoff nicht reichen, so viel einzusparen, wie mit dem Tempolimit zu schaffen sei.
Was hält er von dem Kompromiss, den der Koalitionsausschuss der Ampel in Berlin vergangene Woche vorgelegt hat? "Auf den ersten Blick würde man sagen, das Klima hat verloren", sagt Friedrich. Nach den Regeln des Klimaschutzgesetzes wären ab jetzt eigentlich Maßnahmen notwendig, die Verhaltensänderungen nach sich ziehen. Das aber sei anstrengend. "Jetzt wird's ungemütlich für den Verkehr. Aber da hat die Ampel bisschen Druck rausgenommen." Ein Lichtblick für den Professor: der angedachte Emissionshandel mit hohen Preisen für die Tonne CO2: "Wenn man das wirklich ernst nimmt, ist es ein Fortschritt." Allerdings fürchtet er, dass die Bepreisung bestimmt wieder irgendwie gedeckelt wird. Dauernd sei von Marktwirtschaft die Rede, sagt er, "aber immer wenn es ernst wird, schalte die Marktwirtschaft wieder aus."
Ob Markus Friedrich guter Dinge ist, dass wir die Klimaziele erreichen? Wird schwieriger, sagt der Wissenschaftler. Die Regierung habe sich nun zwei Jahre mehr Zeitpuffer gegeben und den großen Klima-Wurf in die nächste Legislaturperiode verschoben. "Aber wenn wir erst dann weitergehende Maßnahmen ergreifen, ist es zu spät."
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